Auszug aus der:
S3-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Onkologie“
Die S3-Leitline der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) wurde in Kooperation mit weiteren Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e. V. (DGHO) und der Arbeitsgemeinschaft „Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin“ der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS) entwickelt, mit dem Ziel, evidenzbasierte Empfehlungen zur Erkennung und Behandlung von Ernährungs- und Stoffwechselstörungen bei Tumorpatienten zu geben.
Eine interdisziplinäre Expertengruppe aus Internisten, Onkologen, Strahlenmedizinern sowie Ernährungswissenschaftlern und Diätassistenten haben insgesamt 48 Empfehlungen erarbeitet und bewertet, die den gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand wiedergeben.
Im Folgenden werden die Empfehlungen und Ausführungen der S3-Leitlinie zur „Klinischen Ernährung in der Onkologie“ auszugsweise vorgestellt.
Mangelernährung in der Onkologie laut S3-Leitlinie
Onkologische Patienten haben ein hohes Risiko für eine Mangelernährung, da sowohl erkrankungs- als auch therapieassoziierte Belastungen zu einem z.T. erheblichen Gewichtsverlust führen können.
Patienten mit aktiver Tumorerkrankung haben aufgrund gastrointestinaler und psychosozialer Faktoren häufig eine unzureichende Nahrungsaufnahme und erleiden bereits dadurch einen Gewichtsverlust, der erheblich sein kann. Gleichzeitig kann es aufgrund metabolischer Veränderungen zu einem ungewollten Gewichtsverlust kommen, der in 31 – 87% der Fälle sogar der Tumordiagnose vorausgeht. Bei 15% der Patienten ist dieser Verlust bereits ausgeprägt und beträgt mehr als 10% des üblichen Körpergewichtes.
Unabhängig von der Tumorentität lassen sich bei systemischer Inflammation häufig eine Insulinresistenz und eine eingeschränkte Glukosetoleranz nachweisen. Der Eiweißumsatz ist meist verändert und es kommt zu einem Verlust von Muskelmasse. Gleichzeitig ist bei Krebspatienten mit Gewichtsverlust die Fähigkeit zur Lipidoxidation meist gesteigert. Die inflammatorische Mangelernährung, auch mit dem Begriff Kachexie belegt, ist mit einer eingeschränkten Lebensqualität und mit einer reduzierten Erkrankungsprognose assoziiert.
Durchgehende Aufmerksamkeit für mögliche Ernährungsstörungen sowie eine der jeweiligen Situation angemessene Ernährungsbehandlung sollen Teil der Supportivbetreuung jedes Tumorpatienten sein, um die Körperreserven, die Therapietoleranz, den Erkrankungsverlauf und die Lebensqualität günstig zu beeinflussen.
Therapieziele und –konzepte laut S3-Leitlinie
Eine Ernährungstherapie soll eingesetzt werden, um den Ernährungszustand, die körperliche Leistungsfähigkeit, den Stoffwechsel, die Verträglichkeit antitumoraler Therapien, die Lebensqualität und den Erkrankungsverlauf zu verbessern oder zu stabilisieren.
Ernährungsmaßnahmen sollen sich konzentrieren auf die Normalisierung, Verbesserung oder Stabilisierung
- der Nahrungsaufnahme sowie des Gewichts,
- der körperlichen Leistungsfähigkeit und
- der Stoffwechselsituation.
Zu den Interventionsmaßnahmen gehören darüber hinaus u.a.:
- die Beseitigung von Behinderungen der Nahrungsaufnahme und -absorption,
- das Anbieten spezieller Lebensmittel und Nährlösungen, um den Energie- sowie Substratbedarf zu decken,
- ein adäquates Muskeltraining
Screening und Assessment laut S3-Leitlinie
Um eine Beeinträchtigung der Ernährungssituation frühzeitig zu erkennen, sollen beginnend mit dem Erstkontakt und in ausreichend kurzen Abständen (zumindest alle 4–8 Wochen) ein Screening des Ernährungszustands, der Nahrungsaufnahme, der körperlichen Leistungsfähigkeit und des Schweregrades der Erkrankung durchgeführt werden.
Energie- und Nährstoffbedarf laut S3-Leitlinie
Um das besondere Risiko einer Mangelernährung bei Tumorpatienten möglichst gering zu halten, sollte der Ernährungsbedarf durchgehend gedeckt werden.
Energiebedarf
Durch die Nahrungsaufnahme beeinträchtigenden Symptome und Störungen wie Übelkeit, Erbrechen und Störungen des Geschmacksempfindens, kann der empfohlene Energiebedarf jedoch oft nicht erreicht werden. Um das besondere Risiko einer Mangelernährung bei Tumorpatienten gering zu halten, sollte der Ernährungsbedarf möglichst durchgehend gedeckt werden.
Die laut Empfehlungen angemessene Tagesenergiezufuhr liegt in der Regel bei 25–30 kcal/kg Körpergewicht und beträgt, zur Stabilisierung des Körpergewichts, nur äußerst selten mehr als 30 kcal/kg.
Mikronährstoffbedarf
Da die Versorgung von Mikronährstoffen bei Tumorpatienten in mehrfacher Hinsicht gefährdet sein kann, sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass eine ausreichende Zufuhr gesichert ist.
Makronährstoffbedarf
Eiweiß
Fett-/Kohlenhydratverhältnis
Das für Tumorpatienten optimale Kohlenhydrate-Fett-Verhältnis wird klinisch nicht einheitlich beurteilt, kann aber aus pathophysiologischen Befunden hergeleitet werden. Denn die muskuläre Aufnahme und Oxidation der Glukose ist bei Tumorpatienten infolge der Insulinresistenz eingeschränkt, der Umsatz von Fett jedoch normal oder gesteigert.
Nahrungszufuhr
Ernährung und ausgewählte Tumortherapien laut S3-Leitlinie
„Für ein Screening auf Mangelernährung sollten validierte und international etablierte Instrumente wie der NRS-2002 oder MUST eingesetzt werden.“
Eine Radiotherapie im Kopf-Hals-Ösophagusbereich führt durch die erzeugte Mukositis zu einer verminderten Nahrungsaufnahme mit nachfolgendem und z. T. erheblichem Gewichtsverlust bei bis zu 80% der Patienten. Eine Metaanalyse belegte, dass der Einsatz von Trinknahrungen bei Patienten während einer Strahlentherapie die Energieaufnahme signifikant steigerte. Für den Einsatz gezielter Ernährungsberatung einschließlich ggf. von Trinknahrungen konnten in mehreren randomisierten, kontrollierten Studien signifikant günstigere Ergebnisse für das Körpergewicht, den Ernährungsstatus und die Lebensqualität gezeigt werden.
Während einer antitumoralen medikamentösen Therapie steigt das Risiko für die Entwicklung einer Mangelernährung. Verursacht wird dies u.a. durch das Auftreten gastrointestinaler Nebenwirkungen (u. a. Anorexie, Nausea, Emesis, Obstipation, Diarrhö), der verringerten Nahrungsaufnahme und der körperlichen Aktivität. Um dem entgegenzuwirken, soll die Energie- und Substratzufuhr möglichst dem Bedarf entsprechen und die körperliche Aktivität erhalten bleiben.
Solange eine orale Ernährung möglich ist, ist sie invasiveren Ernährungsformen vorzuziehen.
„Auch bei unheilbar kranken Tumorpatienten sollte auf eine ausreichende Nahrungsaufnahme geachtet werden, da die Überlebenszeit auch bei diesen Patienten stärker durch eine Unterernährung als durch die Grunderkrankung eingeschränkt sein kann.“
Zum Nachlesen: Leitlinie Klinische Ernährung in der Onkologie
Quelle: Arends et al. (2015): Klinische Ernährung in der Onkologie. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. (DGHO) et al. In: Aktuelle Ernährungsmedizin 2015;10(05)
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