Ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung und sind häufig davon betroffen. Die hier auszugsweise vorgestellte S3-Leitline der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) wurde in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGG mit dem Ziel entwickelt, evidenzbasierte Empfehlungen zur klinischen Ernährung älterer Menschen zu geben, um Mangelernährung so weit wie möglich zu vermeiden bzw. zu behandeln. Die Leitlinie soll alle in der geriatrischen Versorgung tätigen Personen bei Entscheidungen in Zusammenhang mit der Ernährungsversorgung unterstützen.

Dazu wurden die bestehen Leitlinien der deutschen und europäischen ernährungsmedizinischen Fachgesellschaften DGEM und ESPEN (European Society for Clinical Nutrition and Metabolism) zur enteralen und parenteralen Ernährung zusammengeführt, aktualisiert und erweitert.

Die S3-Leitlinie beinhaltet insgesamt 60 konsentierte Empfehlungen zur Ernährungsversorgung älterer Menschen hinsichtlich grundlegender Prinzipien klinischer Ernährung, relevanter Indikationen (u.a. Mangelernährung und Risiko für Mangelernährung, Gebrechlichkeit, Dysphagie, Depression und Demenz) sowie spezifischer Struktur- und Prozessanforderungen für die Ernährungsversorgung in geriatrischen Institutionen.

Im Folgenden werden die Empfehlungen und Ausführungen der S3-Leitlinie zur „Klinischen Ernährung in der Geriatrie“ auszugsweise vorgestellt.

Mangelernährung im Alter

Zahlreiche Faktoren erschweren die Nahrungsaufnahme im Alter und erhöhen das Risiko für Mangelernährung. Im Falle akuter und chronischer Krankheiten sind Ernährungsprobleme weit verbreitet. Insbesondere in Verbindung mit katabolen Krankheitseffekten entwickelt sich so schnell eine Mangelernährung. Die Folgen einer Mangelernährung im Alter sind gravierend und verstärken sich gegenseitig. Der mit dem Gewichtsverlust einhergehende Verlust an Muskelmasse begünstigt eine Sarkopenie und eine erhöhte Gebrechlichkeit, wodurch es wiederum zu Behinderungen und Einbußen in der Selbstständigkeit der Betroffenen kommen kann.

Eine Mangelernährung im Alter liegt gemäß S3-Leitlinie bei folgenden Parametern vor:

  • ungewollter Gewichtsverlust > 5% in 3 Monaten oder
  • ungewollter Gewichtsverlust > 10% in 6 Monaten oder
  • deutlich reduzierte Körpermasse (BMI < 20)

Ethische Aspekte und Entscheidungs­findung

Die orale Ernährung mit einer Unterstützung der Nahrungsaufnahme sowie die Gabe von Trinknahrung können bei älteren Menschen aufgrund von Multimorbidität und verlangsamten Abläufen oft anspruchsvoll und zeitintensiv sein. Orale Ernährung liefert jedoch nicht nur Energie und Nährstoffe, sondern hat darüber hinaus wichtige psychologische und soziale Funktionen.

Sie ermöglicht die Wahrnehmung von Geschmack und Geruch und ist ein wichtiger Mediator für Genuss und Wohlbefinden. Daher ist es selbst in Zeiten abnehmender finanzieller und damit auch personeller Ressourcen nicht akzeptabel, Sondenernährung oder parenterale Ernährung zur Pflegeerleichterung oder Zeitersparnis einzusetzen.

Grundprinzipien klinischer Ernährung im Alter laut S3-Leitlinie

„Ältere Menschen mit Mangelernährung oder Risiko für Mangelernährung sollen eine individuelle, umfassende Ernährungsversorgung erhalten, um eine ausreichende Nahrungsaufnahme zu gewährleisten, den Ernährungszustand zu erhalten oder zu verbessern und den klinischen Verlauf und die Lebensqualität zu verbessern.“

Ziel klinischer Ernährungsmaßnahmen bei älteren Menschen ist es, den Bedarf an Energie, Protein, Mikronährstoffen und Flüssigkeit möglichst kontinuierlich zu decken. So sollen Ernährungszustand, Körperfunktionen, Aktivität, Rehabilitationspotenzial und die Lebensqualität erhalten oder verbessert werden.

Die Ernährungstherapie im Alter umfasst ein breites Spektrum verschiedener Maßnahmen, die alle zu einer adäquaten Nahrungsaufnahme beitragen können. Hinsichtlich direkter Interventionen hat die orale Nährstoffzufuhr bei älteren Menschen immer oberste Priorität. Wenn orale Strategien nicht ausreichen, um eine adäquate Nahrungszufuhr zu ermöglichen, bieten Trinknahrungen und Sondenernährung die Möglichkeit, die Energie- und Nährstoffzufuhr zu sichern oder zu erhöhen.

Parenterale Ernährung (PE) sollte für Patienten vorbehalten bleiben, die nicht in der Lage sind, ihren Bedarf auf oralem oder enteralem Wege zu decken.

Wann sind Ernährungs­maßnahmen bei älteren Menschen indiziert?

„Ernährungsmaßnahmen sollen bei älteren Menschen mit Risiko für Mangelernährung ergriffen werden, um eine adäquate Zufuhr von Energie und Nährstoffen zu gewährleisten und die Entstehung von Mangel-ernährung und deren gravierende Folgen zu vermeiden.“

Durch eine ungenügende Nahrungsaufnahme, insbesondere in Verbindung mit katabolen Krankheiten, kann es zu einem verstärkten Abbau von Körper- und Muskelmasse sowie zu vermehrten funktionellen Einbußen kommen. Die Beseitigung von Mangelernährung, insbesondere der Wiederaufbau von Muskelmasse, ist bei älteren Menschen im Vergleich zu jüngeren schwieriger und langwieriger. Eine angemessene Ernährungstherapie soll daher frühzeitig, bereits bei einem bestehenden Risiko für Mangelernährung einsetzen. Auf diese Weis soll ein guter Ernährungszustand so lange wie möglich erhalten werden und einem Verlust an Körpersubstanz und Funktionalität zu vermeiden oder zumindest zu verzögern.

Bei älteren Menschen, die bereits mangelernährt sind, zielt die Ernährungstherapie auf eine Steigerung der Nahrungsaufnahme und Verbesserung des Ernährungszustandes ab und kann dadurch zu einer geringeren Komplikations- und Mortalitätsrate, zu einem besseren funktionellen Status und einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen.

Wann ist Trinknahrung bei älteren Menschen indiziert?

„Ältere Menschen mit Risiko für Mangelernährung sollen Trinknahrung erhalten, um die Nahrungs-aufnahme zu verbessern, den Ernährungszustand zu erhalten oder zu verbessern und das Risiko einer Komplikation zu reduzieren.“

Standardtrinknahrung enthält alle essenziellen Nährstoffe in einem ausgewogenen Verhältnis und ist in dieser Hinsicht konventionellen Lebensmitteln überlegen. Trinknahrung zeichnet sich im Vergleich zu üblichen Lebensmitteln durch eine höhere Energie- und Nährstoffdichte aus und ist daher zur Steigerung der Energie- und Nährstoffzufuhr grundsätzlich sehr gut geeignet.

In Studien nachgewiesene positive Effekte von Trinknahrung bei älteren Menschen

  • Trinknahrung erhöht die Energie- und Nährstoffzufuhr
  • Trinknahrung erhält oder verbessert den Ernährungszustand
  • Trinknahrung reduziert das Komplikationsrisiko bei geriatrischen Patienten
  • Trinknahrung reduziert das Mortalitätsrisiko bei mangelernährten älteren Menschen und in gemischten Kollektiven geriatrischer Patienten

Wann ist Sondenernährung bei älteren Menschen indiziert?

„Sondenernährung sollte initiiert werden, wenn die orale Nahrungsaufnahme voraussichtlich länger als 3 Tage unmöglich oder länger als 10 Tage unzureichend (< 50% des Bedarfs) und die Verlaufsprognose insgesamt positiv ist (nicht in terminalen Krankheitsstadien), um die Energie- und Nährstoffzufuhr zu gewährleisten und den Ernährungszustand zu erhalten oder zu verbessern.“

Wann ist parenterale Ernährung bei älteren Menschen indiziert?

Im Vergleich zu enteraler Ernährung ist die parenterale Ernährung generell weniger physiologisch, kostenintensiver und mit einem höheren Komplikationsrisiko verbunden. Parenterale Ernährung sollte folglich nur zum Einsatz kommen, wenn orale und/oder enterale Ernährung nicht möglich (kontraindiziert, nicht anwendbar, nicht toleriert) oder unzureichend (schlecht toleriert) sind.

„Ältere Menschen können parenteral ernährt werden, wenn orale und/oder enterale Ernährung voraussichtlich länger als 3 Tage unmöglich oder länger als 10 Tage unzureichend sind und die Verlaufsprognose insgesamt positiv ist (nicht in terminalen Krankheitsstadien).“
„Flüssigkeit und/oder Nährstoffe sollten für eine begrenzte Zeit parenteral zugeführt werden, um kritische Situationen mit geringer Zufuhr und/oder hohem Bedarf zu überwinden, wenn orale und/oder enterale Ernährung nicht möglich oder unzureichend sind.“

Wann sollten Ernährungs­maßnahmen bei älteren Menschen initiiert werden?

„Angemessene Ernährungs­interventionen sollten so früh wie möglich initiiert werden, nicht erst bei manifester Mangelernährung sondern sobald Hinweise auf ein Ernährungsrisiko vorliegen.“

Welche Energie- und Nährstoff­mengen sollten ältere Menschen erhalten?

„Richtwerte für die tägliche Aufnahme älterer Menschen an Energie, Protein und Flüssigkeit liegen bei ca. 30 kcal, 1 g bzw. 30 ml pro kg Körpergewicht. Diese Werte sollten je nach Ernährungszustand, Aktivität, Stoffwechselsituation und Toleranz individuell angepasst werden.“
„Für die enterale Ernährung sollten generell ballaststoffhaltige Produkte verwendet werden.“
„Sofern keine spezifischen Mangelzustände bestehen, sollen Mikronährstoffe* in den von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen Mengen gegeben werden.“

*Vitamine, Spurenelemente, Mineralstoffe

Wie lange sind Ernährungs­maßnahmen bei älteren Menschen indiziert?

„Da der Erfolg von Ernährungsmaßnahmen im Alter häufig mehr Zeit benötigt als bei jüngeren Menschen, wird eine anhaltende Durchführung empfohlen bis die Behandlungsziele erreicht sind.“

Zum Nachlesen: Leitlinie klinische Ernährung in der Geriatrie

Quelle: Volkert et al (2013): Klinische Ernährung in der Geriatrie. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGG. In: Aktuelle Ernährungsmedizin 2013;38

Medizinisches Fachpersonal

Bitte beachten Sie, dass die Informationen in unserem Fachkreisebereich aus rechtlichen Gründen nur medizinischem Fachpersonal vorbehalten sind.
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