Auszug aus der:
S3-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Geriatrie“
- Mangelernährung im Alter
- Ethische Aspekte und Entscheidungsfindung
- Grundprinzipien klinischer Ernährung im Alter laut S3-Leitlinie
- Wann sind Ernährungsmaßnahmen indiziert?
- Wann sollten Ernährungsmaßnahmen initiiert werden?
- Welche Energie- und Nährstoffmengen sollten ältere Menschen erhalten?
- Wie lange sind Ernährungsmaßnahmen indiziert?
Ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung und sind häufig davon betroffen. Die hier auszugsweise vorgestellte S3-Leitline der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) wurde in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGG mit dem Ziel entwickelt, evidenzbasierte Empfehlungen zur klinischen Ernährung älterer Menschen zu geben, um Mangelernährung so weit wie möglich zu vermeiden bzw. zu behandeln. Die Leitlinie soll alle in der geriatrischen Versorgung tätigen Personen bei Entscheidungen in Zusammenhang mit der Ernährungsversorgung unterstützen.
Dazu wurden die bestehen Leitlinien der deutschen und europäischen ernährungsmedizinischen Fachgesellschaften DGEM und ESPEN (European Society for Clinical Nutrition and Metabolism) zur enteralen und parenteralen Ernährung zusammengeführt, aktualisiert und erweitert.
Die S3-Leitlinie beinhaltet insgesamt 60 konsentierte Empfehlungen zur Ernährungsversorgung älterer Menschen hinsichtlich grundlegender Prinzipien klinischer Ernährung, relevanter Indikationen (u.a. Mangelernährung und Risiko für Mangelernährung, Gebrechlichkeit, Dysphagie, Depression und Demenz) sowie spezifischer Struktur- und Prozessanforderungen für die Ernährungsversorgung in geriatrischen Institutionen.
Im Folgenden werden die Empfehlungen und Ausführungen der S3-Leitlinie zur „Klinischen Ernährung in der Geriatrie“ auszugsweise vorgestellt.
Mangelernährung im Alter
Zahlreiche Faktoren erschweren die Nahrungsaufnahme im Alter und erhöhen das Risiko für Mangelernährung. Im Falle akuter und chronischer Krankheiten sind Ernährungsprobleme weit verbreitet. Insbesondere in Verbindung mit katabolen Krankheitseffekten entwickelt sich so schnell eine Mangelernährung. Die Folgen einer Mangelernährung im Alter sind gravierend und verstärken sich gegenseitig. Der mit dem Gewichtsverlust einhergehende Verlust an Muskelmasse begünstigt eine Sarkopenie und eine erhöhte Gebrechlichkeit, wodurch es wiederum zu Behinderungen und Einbußen in der Selbstständigkeit der Betroffenen kommen kann.
Eine Mangelernährung im Alter liegt gemäß S3-Leitlinie bei folgenden Parametern vor:
- ungewollter Gewichtsverlust > 5% in 3 Monaten oder
- ungewollter Gewichtsverlust > 10% in 6 Monaten oder
- deutlich reduzierte Körpermasse (BMI < 20)
Ethische Aspekte und Entscheidungsfindung
Die orale Ernährung mit einer Unterstützung der Nahrungsaufnahme sowie die Gabe von Trinknahrung können bei älteren Menschen aufgrund von Multimorbidität und verlangsamten Abläufen oft anspruchsvoll und zeitintensiv sein. Orale Ernährung liefert jedoch nicht nur Energie und Nährstoffe, sondern hat darüber hinaus wichtige psychologische und soziale Funktionen.
Sie ermöglicht die Wahrnehmung von Geschmack und Geruch und ist ein wichtiger Mediator für Genuss und Wohlbefinden. Daher ist es selbst in Zeiten abnehmender finanzieller und damit auch personeller Ressourcen nicht akzeptabel, Sondenernährung oder parenterale Ernährung zur Pflegeerleichterung oder Zeitersparnis einzusetzen.
Grundprinzipien klinischer Ernährung im Alter laut S3-Leitlinie
Ziel klinischer Ernährungsmaßnahmen bei älteren Menschen ist es, den Bedarf an Energie, Protein, Mikronährstoffen und Flüssigkeit möglichst kontinuierlich zu decken. So sollen Ernährungszustand, Körperfunktionen, Aktivität, Rehabilitationspotenzial und die Lebensqualität erhalten oder verbessert werden.
Die Ernährungstherapie im Alter umfasst ein breites Spektrum verschiedener Maßnahmen, die alle zu einer adäquaten Nahrungsaufnahme beitragen können. Hinsichtlich direkter Interventionen hat die orale Nährstoffzufuhr bei älteren Menschen immer oberste Priorität. Wenn orale Strategien nicht ausreichen, um eine adäquate Nahrungszufuhr zu ermöglichen, bieten Trinknahrungen und Sondenernährung die Möglichkeit, die Energie- und Nährstoffzufuhr zu sichern oder zu erhöhen.
Parenterale Ernährung (PE) sollte für Patienten vorbehalten bleiben, die nicht in der Lage sind, ihren Bedarf auf oralem oder enteralem Wege zu decken.
Wann sind Ernährungsmaßnahmen bei älteren Menschen indiziert?
Durch eine ungenügende Nahrungsaufnahme, insbesondere in Verbindung mit katabolen Krankheiten, kann es zu einem verstärkten Abbau von Körper- und Muskelmasse sowie zu vermehrten funktionellen Einbußen kommen. Die Beseitigung von Mangelernährung, insbesondere der Wiederaufbau von Muskelmasse, ist bei älteren Menschen im Vergleich zu jüngeren schwieriger und langwieriger. Eine angemessene Ernährungstherapie soll daher frühzeitig, bereits bei einem bestehenden Risiko für Mangelernährung einsetzen. Auf diese Weis soll ein guter Ernährungszustand so lange wie möglich erhalten werden und einem Verlust an Körpersubstanz und Funktionalität zu vermeiden oder zumindest zu verzögern.
Bei älteren Menschen, die bereits mangelernährt sind, zielt die Ernährungstherapie auf eine Steigerung der Nahrungsaufnahme und Verbesserung des Ernährungszustandes ab und kann dadurch zu einer geringeren Komplikations- und Mortalitätsrate, zu einem besseren funktionellen Status und einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen.
Wann ist Trinknahrung bei älteren Menschen indiziert?
Standardtrinknahrung enthält alle essenziellen Nährstoffe in einem ausgewogenen Verhältnis und ist in dieser Hinsicht konventionellen Lebensmitteln überlegen. Trinknahrung zeichnet sich im Vergleich zu üblichen Lebensmitteln durch eine höhere Energie- und Nährstoffdichte aus und ist daher zur Steigerung der Energie- und Nährstoffzufuhr grundsätzlich sehr gut geeignet.
In Studien nachgewiesene positive Effekte von Trinknahrung bei älteren Menschen
- Trinknahrung erhöht die Energie- und Nährstoffzufuhr
- Trinknahrung erhält oder verbessert den Ernährungszustand
- Trinknahrung reduziert das Komplikationsrisiko bei geriatrischen Patienten
- Trinknahrung reduziert das Mortalitätsrisiko bei mangelernährten älteren Menschen und in gemischten Kollektiven geriatrischer Patienten
Wann ist Sondenernährung bei älteren Menschen indiziert?
Wann ist parenterale Ernährung bei älteren Menschen indiziert?
Im Vergleich zu enteraler Ernährung ist die parenterale Ernährung generell weniger physiologisch, kostenintensiver und mit einem höheren Komplikationsrisiko verbunden. Parenterale Ernährung sollte folglich nur zum Einsatz kommen, wenn orale und/oder enterale Ernährung nicht möglich (kontraindiziert, nicht anwendbar, nicht toleriert) oder unzureichend (schlecht toleriert) sind.
Wann sollten Ernährungsmaßnahmen bei älteren Menschen initiiert werden?
Welche Energie- und Nährstoffmengen sollten ältere Menschen erhalten?
*Vitamine, Spurenelemente, Mineralstoffe
Wie lange sind Ernährungsmaßnahmen bei älteren Menschen indiziert?
Zum Nachlesen: Leitlinie klinische Ernährung in der Geriatrie
Quelle: Volkert et al (2013): Klinische Ernährung in der Geriatrie. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGG. In: Aktuelle Ernährungsmedizin 2013;38